Sommer 2014

Sommer 2014Jetzt muss ich auch in das Horn stoßen und wehleidig klagen und zum hunderttausendsten Mal an diesem Tag fragen: Sommer, wo bist Du?
Denn auch in diesem Jahr hat es wieder nichts gegeben mit Wärme und Sonne. Monatelang habe ich mich auf ein Erwachen aus der Winterstarre und auf Helligkeit gefreut, auf Wärme, die Zeit mit Hoffen vergeudet, er kam ja doch nicht, wieder nicht, und der August, der Hochsommer, geht zu Ende. Pfingsten war es ein paar Tage heiß, kann das sein? Manchmal passiert das auch kurz und knapp im April oder Mai. Juni. Ich glaube, da gab es auch ein paar schöne Tage, gerne unter der Woche und nicht in der Ferienzeit natürlich, es könnte sonst fast angenehm werden. Aber dann? Nichts mehr. Jedenfalls nicht im Westen. Regen gab es viel. Starkregen, Hagel, Stürme, Orkanböen, nicht endenwollende Wassermassen stürzten und stürzen sich auf uns und in meinen Keller. Wo kommt nur das ganze Wasser her? Einen Regenschirm darf ich noch nicht mal beim Müllrunterbringen vergessen, so spontan klatscht es oft auf uns herab. Alle jammern. Ich schwelge in Erinnerungen an Frühling und Sommer, denke an warmen Frühlingsduft und Bienen über der Wiese. In eine Suchmaschine tippe ich ein: Wo ist der Sommer?

Meteorologen antworten. „Der Sommer ist bisher überhaupt nicht kühl, sogar eher zu warm.“ Wolz, einer vom Deutschen Wetterdienst. „Die Menschen haben eine falsche Vorstellung von dem mitteleuropäischen Sommer.“ Klar, ich bin schuld, ich denke falsch. „Der Sommer hat sich nicht so sehr verändert.“ Also waren die herrlichen Sommer mit längeren warmen Perioden aus meiner Kindheit nur Ausreißer oder werden von mir falsch erinnert. „Die Mittelwerte der Jahre 1961-1990 weichen nur gering von diesem Jahr ab.“ Jetzt kommen sie mir mit Mittelwerten und Statistiken. Sind in diesen errechneten Werten auch enthalten, dass Ende August nachts Temperaturen von knapp vier Grad gemessen werden und auf der Zugspitze vier Zentimeter Neuschnee gefallen sind?
Neue Sommergarderobe brauche ich schon lange nicht mehr, sie kommt kaum zum Einsatz, Gummistiefel sind notwendiger. Es ist schon fast wie in Ein Freund der Erde von T.C. Boyle, da steht das Wasser schon in der Wohnung, oder wie in Suters Roman Der Teufel von Mailand, in dem es ständig regnet. Hier ist es genauso nass und ständig grau. Immer grau. Immer viele Wolken. Grau ist fade und depressiv. Die Füße werden selbst im Sommer kalt. Meine Sandalen verschimmeln im Schrank. Die Freibäder schließen früh aus Mangel an Gästen. Der Herbst kommt schon im Sommer. Ich entdecke verfärbte Blätter an Bäumen. Es geht schon los. Dominik Jung von wetter.net stellt fest: „Der August 2014 geht ohne auch nur eine einzige Hitzewelle seinem Ende entgegen. Das ist eine Seltenheit. Ebenso wie die Frühwerte, die vielfach nur zwischen fünf und zehn Grad liegen, stellenweise sogar noch darunter. Das ist Vollherbst mitten im Hochsommermonat August.“ Voll richtig. Warum eigentlich?
Klimaforscher sprechen von Luftstau-Phänomenen. Also ist doch das Klima schuld und nicht ich mit meinen Vorstellungen. Aber doch wieder ich, weil das Klima von uns Menschen beeinflusst wird. Auch von mir. Wir kennen die Diskussionen. Auf dem nächsten Klimagipfel wird bestimmt wieder nichts beschlossen, wetten? Und ich werde wieder böse Worte für diese Ignoranz finden. Und Wasser aus meinem Keller schippen. Und hoffen, dass der Baum während des Sturms nicht auf mein Dach kracht. Das Wetter wird immer extremer. Ein Leser schreibt unter einen Artikel, der sich mit dem Sommer 2014 beschäftigt, wir sollen uns gefälligst mit dem Wetter abfinden und aufhören zu jammern. Als wäre das Hinnehmen der Zustände und das Zeigen von Arroganz eine praktikable Lösung. Natürlich gab es schon Sommer, die gänzlich ausfielen. Das waren aber Ausnahmen und die kommen eben nur sehr selten vor.
1816 zum Beispiel. Man konnte wegen des schlechten Wetters kaum vor die Tür und so entstand der Roman Frankenstein der britischen Schriftstellerin Mary Shelley. Kaum vorstellbar, dass es im Sommer friert und schneit! Ich hoffe, dass es nicht noch einmal soweit kommt und das Wetter zu einer unberechenbaren Größe wird.
Die Wettervorhersagen via Internet, Fernsehen oder App meide ich mittlerweile, denn sie machen mich zu einer unberechenbaren Größe. Schöne Ferien!