Der Marsianer – Andy Weir – Heyne Verlag – Rezension

Er ist am Arsch.
Richtig am Arsch. Und allein.
Es war dieses beschissene Wetter schuld, dieser elende Sturm und der ganze Sand. Am sechsten Tag der Mission. Niemand konnte etwas dafür. Und nun hat er den Schlamassel. Ich rede von Mark Watney. Von Beruf Botaniker, Mechaniker und Astronaut. Sein neuer Wohnort: der Mars. Ungefähr 400 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Na prima. Und nun?

Wie es weitergeht, erfahren wir durch sein Tagebuch. Er beginnt mit den Worten: „Ich bin so was von im Arsch.“ In dem Ton geht es weiter. Dafür, dass er so weit weg von zu Hause und allein auf einem nicht ganz so lebensfreundlichen Planeten sitzt, berichtet er sehr salopp, rotzig und manchmal abgeklärt. Analysiert seine nicht wirklich rosige Situation. Macht eine Bestandsaufnahme.Der Sturm war heftig, sodass die Marsmission Ares 3 abgebrochen werden musste. Alle sollten zum MRM (Marsrückkehrmodul), um zurück zur Hermes zu fliegen, einem Raumschiff in der Umlaufbahn des Planeten, das die Crew sicher zur Erde zurückbringen würde. Doch der Sturm reißt Antennen ab, Teile fliegen durch die Luft, Mark wird getroffen und verletzt, das MRM droht zu kippen, die Kommandantin Lewis sucht ihn, findet ihn aber nicht, der Kontakt zu Mark ist abgerissen, und muss den Befehl für den Abflug geben, um die anderen Crewmitglieder nicht zu gefährden.
Am nächsten Tag findet Mark sich halb verschüttet im Sand wieder, mit einem Metallteil im Bauch. Sein Raumanzug gibt Alarm. Er kann sich aufraffen und zur Wohnkuppel gelangen. Sie steht noch und funktioniert einwandfrei. Viel hat der Sturm zum Glück nicht beschädigt. Er verarztet sich selbst. Und sitzt nun mutterseelenallein auf einem Planeten. Funkkontakt zur Erde nicht möglich. Es hat ja die Antenne zerrissen.
Nun beginnt Andy Weir mit seiner Robinson Crusoe Version für gestrandete Astronauten. Oder nicht ganz, die Sache ist viel weitreichender und komplizierter. Jedenfalls muss ein Plan her. Der besteht darin, für Nahrungsmittel und Wasser zu sorgen. In einigen Jahren soll die nächste Ares Mission auf dem Mars landen, tausende Kilometer vom Wohnmodul entfernt. So lange will Mark durchhalten. Er rechnet alles durch. Wasser, Luft, Lebensmittel. Es wird nicht reichen. Wie gut, dass er Botaniker und Mechaniker ist! Durch sein Tagebuch erfahren wir, was er anstellt, um zu überleben. Seine Verschnaufpausen verbringt er mit alten Fernsehserien und Discomusik, manchmal liest er, seine Auswahl besteht aus dem Material, welches die Kollegen zur Zerstreuung mitgenommen haben auf diese Mission. Es ist nicht immer sein Geschmack, jedoch besser als nichts. Denn er ist ja allein. Seine Psyche bleibt relativ stabil. Das wundert mich manchmal.

Zur selben Zeit trauert auf der Erde eine Nation um Mark Watney. Bis eines Nachts eine Ingenieurin auf Fotos vom Mars Ungereimtheiten entdeckt. Schnell wird den Verantwortlichen klar, dass ihr Mann lebt! Was soll nun geschehen? Soll eine Rettungsaktion gestartet werden? Ist das überhaupt möglich? Und wer finanziert das? Andy Weir switcht hin und her, erläutert uns die Probleme und Schwierigkeiten auf dem Mars und auf der Erde. Ich als Leser hechte hinterher, getrieben von diesem unbeugsamen eigenbrötlerischen Charakter, den nur ein hochtechnisiertes Zelt vom Tod trennt. Und ein Berg Kartoffeln.
Auf der Erde wird über Verantwortlichkeiten diskutiert. Niemand möchte entscheiden, ein klares Wort sagen. Wir erleben Hoffnung und Desillusion. Das Aufkeimen von Plänen und deren Scheitern. Wird es möglich sein, Mark Watney zu retten?

Was in dem Roman noch fern erscheint, ist für eine niederländische Organisation, Mars One, eine feste Planung. 2024 sollen zum ersten Mal Menschen zum Mars fliegen. Für diese Mission konnte sich jeder bewerben, das Auswahlverfahren läuft (2016). Da die technischen Möglichkeiten jedoch noch nicht ausgereift sind für solch einen langen Flug, wird es lediglich ein Hinflug. Eine Rückkehr ist nicht geplant und nicht möglich. Alle zwei Jahre sollen weitere Menschen zum Mars gebracht werden. Dafür haben sich sehr viele freiwillig gemeldet. Das lässt mich heftig schlucken. Es sollen Menschen auf dem Mars ausgesetzt werden, die wie Mark Watney ihr Leben sehr eingeschränkt in Wohneinheiten verbringen werden. Natürlich haben die sich freiwillig gemeldet, aber wie lange hält diese Freiwilligkeit an? Wann wird es manchen zu viel? Das ganze Spektakel soll live, also mit ca. 14 Minuten Verzögerung, gesendet werden. Dann gibt es wirklich Marsianer. Und wir können zuschauen. Mir wird schlecht bei diesem Gedanken. Wie ethisch ist diese Mission?

Andy Weir hat ein schönes Bild gezeichnet von der Trostlosigkeit und Abgeschiedenheit, so in etwa könnte es werden. Rau und feindlich. Maschinen sichern das Überleben. Und wenn kein Freak wie Mark dabei ist, der anscheinend alles reparieren kann, dann …

Der Marsianer, Andy Weir, Heyne Verlag.
Hier geht es zum Buch: http://www.randomhouse.de/Paperback/Der-Marsianer/Andy-Weir/e445571.rhd#buchInfo1