Schon vor Wochen habe ich Ian Hamiltons Kriminalroman „Die Wasserratte von Wanchai“ gelesen. Aufmerksam auf das Buch bin ich durch eine Werbeaktion eines Buchhändlers geworden.
Die Hauptfigur des Romans ist Ava Lee. Sie lebt in Toronto und arbeitet als freie Wirtschaftsprüferin. Die Aufträge bekommt sie von „Onkel“, einem älteren Herrn, der nicht im verwandtschaftlichen Sinne ihr Onkel ist. Eines Nachts bekommt sie einen Anruf. Der Neffe eines Freundes von „Onkel“ ist um fünf Millionen Dollar betrogen worden. Sie soll das Geld wiederbeschaffen. Ihre Recherchen bringen sie von Hongkong über Bangkok und Guyana bis auf die British Virgin Islands. Dabei trifft sie auf Schwierigkeiten und muss das Finanzsystem mit den unterschiedlichsten Mitteln austricksen.
Ava Lee ist eine gebildete, intelligente junge Frau. Dass sie zudem auch hübsch ist und eine gute Figur besitzt, hat mich nicht gewundert. Sehr unpassend sind Bemerkungen über ihre Brüste, die für eine Chinesin ungewöhnlich groß sind, „sodass sie keinen Wonderbra brauchte“. Das muss ich nicht wissen, und im Zuge einer Personenbeschreibung ist diese Bemerkung zu billig, zu sehr Klischee. In diesem Tenor geht es weiter. Zu glatt ist sie konstruiert. Stark ist sie natürlich auch, ausgebildet in einer ganz besonderen Kampfsportart. Und sie trägt Designerkleidung, das erwähnt Hamilton immer wieder. Und natürlich ist sie erfolgreich und hat ihr Appartement im Wert von einer Million Dollar bar bezahlt. Das ist zu viel des Guten. Eine einzige Kante hat er ihr verpasst, ihre Homosexualität. Ist das wirklich eine Kante? Für mich nicht, außerdem hat es keinen Einfluss auf die Handlung. Ava Lee ist und bleibt perfekt und menschlich abgeschottet, wie der Autor sie geschaffen hat, das macht sie langweilig. Ein richtiges Gesicht hat er ihr nicht gegeben.
Der Plot hat auch nicht mehr zu bieten. Erst nach mehr als einhundertachtzig Seiten (E-Book) zeigen sich die ersten Schwierigkeiten, bis dahin lief alles glatt. Sehr ungewöhnlich für einen Kriminalroman, den wir lesen, um spannend unterhalten zu werden. Den Spannungsbogen habe ich vergeblich gesucht. Im Verlauf der Handlung trifft sie auf die bösen Buben, die es nicht gut mit ihr meinen, gegen die sie aber mühelos einen Weg findet, um sie auszutricksen. Dabei wird sie in keiner Situation hektisch oder nervös, verliert nie die Nerven. Selbstsicher bis zum Letzten. Zu übermächtig scheint nichts für sie.
Ich befürchte, das wird auch in den weiteren Romanen der Ava-Lee-Serie nicht anders werden.
Sprachlich ist der Roman einfach, niemals wertend oder nachdenklich. Manchmal fehlt mir die Gliederung in Abschnitte, um der Handlung besser folgen zu können. Sehr unangenehm ist das Product Placement, das er einsetzt. Oft kam ich mir vor wie in einer Dauerwerbesendung. Dass ein Notizbuch von Moleskin ist und mit einem Füller von Montblanc geschrieben wird, die Tasche natürlich von Chanel und der Koffer von Vuitton ist, hat mich zum Schluss nicht mehr gewundert. Mir werden die Designer und Marken nur so um die Ohren gehauen und das macht den Roman unsympathisch.
Er klang anfangs interessant und vielversprechend. Gefunden habe ich allerdings einen Roman, der vor sich hinplätschert, keine wirklichen Überraschungen bietet und bis zum Schluss vorhersehbar bleibt.
Bis zum Ende gelesen habe ich ihn nur, weil ich neugierig war, ob irgendwann ein Bruch passieren wird, ob der Roman Fahrt aufnimmt und mich spät aber dennoch überraschen wird. Das konnte er leider nicht bieten.
Hier geht es zum Buch: https://keinundaber.ch/de/literary-work/die-wasserratte-von-wanchai/