Da kam der Prinz …

auf seinem weißen Pferd und sie ritten gemeinsam in den Sonnenuntergang und lebten glücklich bis an ihr Lebensende.
Ach nein, er übergab seiner Prinzessin eine rote Rose. Wie schon einigen davor. Eine blieb. Er hatte einen ganzen Harem, aber für eine musste er sich entscheiden. Wochen vergingen bis dahin. Begleitet von Kameras, die das Treiben in die Öffentlichkeit hinausposaunten. Mit einigen hatte er geknutscht und geflirtet, wenn eine so weit nicht gehen wollte, hieß es gleich, sie kann sich nicht öffnen. Und das fand er suspekt. Mehrere Frauen gleichzeitig zu küssen hingegen, fand er normal. Ganz öffentlich. Um die Moral scherte er sich nicht. Die Küsserinnen entführte er an märchenhafte Orte, wo es egal ist, wer kocht und wer den Abwasch macht. Traumstrände, Ballonfahrt und Lagerfeuerromantik rundeten das Märchen ab und sollten ihm Gewissheit bringen, welche Frau er lieben kann. Die Frauen wurden mit Traumkleidern überschüttet, ein ganzer Stab kümmerte sich täglich um ihr Wohlergehen, sie bekamen von allem nur das Beste.
Oder so ähnlich. Im Jahr 2014. Die Szenerie ist perfekt. Die Illusion gigantisch. Was dahinter steckt, weiß keiner so genau. Die Voyeure, für die dieses Märchen inszeniert wurde, funktionierten prächtig. Sie zerrissen sich das Maul über die Frauen, beratschlagten, wer die beste Frau für den Prinzen wäre und beschimpften die Frauen, die in die engere Wahl kamen. Durch die Präsenz im Fernsehen meinten alle, sich ein Urteil über den jeweiligen Menschen und seine Absichten machen zu können. Sie vergaßen, dass es ausgewählte Bilder waren. Sie vergaßen, dass es eine Show ist und dass diese Show vor Monaten gedreht wurde, hielten bis zum Schluss an dem Trugbild fest und schrieben noch, während das Finale im Fernsehen ausgestrahlt wurde, hoffentlich wird es die andere. Denn die eine sucht nur einen Versorger. Und die andere ist zu jung und unreif. Und überhaupt. Ist doch alles nur ein Fake. Die Beziehung der beiden wird nicht lange halten. Mit Inbrunst wurde spekuliert. Als lägen die eigenen Sorgen so weit weg.
Nun frage ich mich, warum setzt man sich einem solchen Mob aus? Weil die Frauen und der Mann wirklich daran glauben, die große Liebe mit Hilfe einer guten Inszenierung zu finden? Oder weil sie bekannt werden wollen, ins Fernsehen wollen?
Es ist schon ein Kreuz mit den Märchen. Wir sind erwachsen und wissen, es gibt sie nicht. Die schönen Kleider müssen abgelegt werden. Es ist auch keiner mehr da, der morgens die Frisur macht und das Gesicht schminkt. Die Kulissen werden abgebaut. Ein Fernsehsender spielte mit der Liebe. Spielt man mit ihr, nimmt man sie nicht ernst genug, geht sie verloren. Märchen waren mir immer schon zu brutal.