Adrian McKinty – Der katholische Bulle – Rezension

Der katholische BulleBelfast. Bomben. Terror. IRA. Katholiken und Protestanten. Und dazwischen Sergeant Sean Duffy, der katholische Bulle. Gerade erst hat er seinen Dienst in Carrickfergus angetreten, ein Haus in einer protestantischen Siedlung gekauft. Schon wird ein Mann erschossen in einem Auto aufgefunden. Ihm fehlt eine Hand. Sie wurde abgeschnitten und liegt neben ihm. Die Arbeit der Polizei und der Spurensicherung wirkt dilettantisch, ein Urteil ist schnell gefällt. Es war ein sogenannter Judasmord, ausgeführt von der IRA, um zu zeigen, was mit Verrätern passiert. Doch Sergeant Duffy glaubt nicht daran. Die obligatorischen Münzen fehlen. Außerdem findet die Pathologin ein Notenblatt beim Toten.

Die Zeiten sind hart und voller Gewalt. Straßenschlachten und Anschläge bestimmen diese Zeit. Die Lage ist angespannt. Jeden Morgen kontrolliert Duffy seinen Wagen. Es könnte eine Bombe versteckt sein. Schließlich hat die IRA ein Kopfgeld auf katholische Bullen ausgesetzt. Nach einem abendlichen Einsatz, es gibt Unruhen wegen des Hungerstreiks von IRA-Leuten, wird er noch einmal gerufen. Ein weiterer Mann wird erschossen in seinem Haus gefunden. Auch ihm fehlt eine Hand, wieder fehlen die Münzen und ein Notenblatt wurde dem Toten in die Hand gelegt. Nach Zufall sieht das nicht aus. Homosexuell waren beiden. Ist das das Motiv? Homosexualität war damals in Nordirland verboten.
Für noch mehr Verwirrung sorgt eine weitere Tote, die erhängt in einem Waldstück gefunden wird. Es sieht nach Selbstmord aus. Oder gibt es einen Serienmörder? Hat die Ermordetet etwas mit den beiden Männern zu tun? Sergeant Duffy ermittelt in alle Richtungen, was nicht unbedingt gerne gesehen wird. Zu klar scheinen anfangs die Fakten. Zu schwierig sind die Ermittlungen in einem vom Terror gebeutelten Land. Außerdem setzt sich Duffy gerne über Anweisungen hinweg. Hat zwischendurch hier und da ein Techtelmechtel, oder spült seinen Ärger mit Alkohol runter, kifft und wirkt zerbrechlich. Und welche Rolle spielen der Stadtrat und ein Mitglied der Partei Sinn-Fein?
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Kai-Eric Fitzner – Willkommen im Meer – Rezension

Willkommen im Meer 02Tim Schäfer nimmt uns mit. Überall hin. In seinen Alltag, in seine Familie, in seine Gedanken, Beobachtungen und Überlegungen. Und in die Schule. Denn er ist Gymnasiallehrer und nimmt eine Stelle in Oldenburg an, bevor ihn die Arbeitslosigkeit ereilen kann.

In der Schule in Oldenburg stößt er auf altbekannte Strukturen. Die älteren Lehrer beäugen ihn kritisch, die Schüler mögen ihn. Er bringt frischen Wind in die angestaubten Klassenzimmer und legt Wert darauf, dass seine Schüler nicht alles nachplappern, sondern sich zu kritisch denkenden Menschen entwickeln. Alle Anfeindungen übersteht er gekonnt. Er ist der Gutmensch, der vom System nicht viel hält. Dazu gesellen sich seine Frau und seine Tochter und andere Verwandte. Nach und nach tauchen sie auf. Es wird getrunken, gekifft und gestritten. Seine Frau bleibt allzeit tough. Ihre Mutter scheint allmächtig. Die Mutter von Tim scheint das Paradebeispiel für Naivität und abgedroschene Phrasen, wie sie jeder von der älteren Generation her kennt. Inklusive nicht hinterfragten Lebensweisheiten. Tims Vater bleibt stumm und resigniert. Eine Bombe platzt Weihnachten. Sie ist leider nicht ganz plausibel. Der Weihnachtsabend auch nicht. Er endet abrupt.
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Abgewickelt und ausgeräumt

Abgewickeltan einem Tag, so schnell kann es manchmal gehen.
Einen ganzen Tag lärmte es, ein Container stand bereit, nahm die blauen Regalteile auf, die abgebaut und hineingeworfen wurden. Immer dasselbe regelmäßige Geräusch, ein Krach, ein Wumm, und fertig. Ein LKW stand an der Rampe und rollte die letzten billigen und eigentlich überflüssigen Waren hinaus. Rollgeräusche. Etwas knallte, und fiel. Bis die Hintertür abgeschlossen wurde. Licht aus.
Feierabend.

Nach Feierabend kamen die, die die Abwicklung registriert hatten. Sie kamen mit einem Handkarren und standen im Container. Eine Taschenlampe an der Stirn. Ich auf dem Balkon. Angelockt durch den erneuten Lärm. Die Regalböden und Seitenteile wurden herausgefischt und geworfen, wieder das regelmäßige Wumm. Was die einen wegwerfen, können die anderen gebrauchen. Woher wussten die das im Container eigentlich? Die Filiale hatte nichts angekündigt. Der Laden wurde wie aus heiterem Himmel abgewickelt.
Am nächsten Tag, einem Samstag, kamen die, die die letzten Schilder abmontierten. Ein Arbeiter stand auf einer Leiter mit einem Schraubendreher in der Hand, der andere trug eine Dachdeckerhose und drückte sich in die Ecke. Vom Balkon rief ich laut: „Guck mal, der pinkelt einfach an die Wand.“ Es wird stinken. Männer. Und Hunde. Ihn störte das nicht. Er ordnete seine Hose, als er sich aus der Ecke löste. Nur der Geruch blieb, den Rest nahmen sie mit. Endgültig Feierabend.

Ein großes Ladenlokal ist nun leer. Es fehlt aber nichts. Auszubildende werden noch gesucht, steht auf einem Plakat, das niemand abgenommen hat. Der Container wird eine Weile Parkplätze blockieren. Nichts weist mehr darauf hin, was dort einmal war. Das Konsumklima sei aber weiterhin gut, lese ich oft.

12.06.2015. Schulsport.

SportunterrichtSchulsport.
Draußen knapp 30 Grad.
Gestern.

Sportfest in der Gesamtschule in Leverkusen. 18 Schüler kollabierten, Rettungswagen kamen, Kinder mussten sogar ins Krankenhaus. Das Sportfest wurde abgebrochen.

Unsere Kinder mussten draußen sporteln und laufen, auch wenn es ihnen schwer viel. Die Stoppuhr lief unerbittlich. Wer die 1000 Meter nicht in der vorgegebenen Zeit schaffte, wurde mit einer Fünf belohnt. Das macht natürlich den Sportunterricht zu einem absoluten Lieblingsfach. Mein Kind japste nach Luft und hielt sich ein wenig die Brust. Bei den Temperaturen und der Anstrengung kein Wunder. Die Note gab ihm den Rest. Die Lehrerin schüttelte nur mit dem Kopf. Als hätte mein Kind etwas Schlimmes verbrochen. Im letzten Jahr hat sie ihn in Angst und Schrecken versetzt, indem sie einen Herzfehler diagnostizierte und er völlig aufgelöst nach Hause kam. Da hatte ich mir eigentlich vorgenommen, mit der Lehrerin ein Wörtchen zu reden. Manche Dinge gehen einfach zu weit. Die Lehrerin sollte den Kindern Freude an der Bewegung nahebringen und keine medizinischen Diagnosen stellen. In der Beziehung verfehlt sie glatt ihr Ziel.

Nach wie vor ist die Schule eine seltsame Institution. Das System hat sich in so vielen Jahrzehnten nicht geändert. Das enttäuscht mich maßlos. Leider lebe ich in einem Land, in dem Homeschooling nicht zugelassen ist. Schulpflicht herrscht. Der Druck steckt tief drin. Wer nicht pariert, fällt durch. Es geht nur um Zahlen. Um Schubladen. Gar nicht mehr um die Kinder als Menschen. Und dann kümmert man sich noch nicht mal vernünftig um die Kinder.
In Leverkusen wird aktuell geprüft, ob der Straftatbestand der Verletzung und Unterlassung der Fürsorgepflicht vorliegt.
Gut so.

Gelesen …

SterbenKarl Ove Knausgard – Sterben – Roman Luchterhand

La Repubblica schrieb über dieses Buch „Aus Stein gehauen, präzise und kraftvoll. Wirklicher als die Wirklichkeit.“
Das trifft genau. Mehr als nur ein Abbild. Tiefer als Genauigkeit. Selbst der Marsch durch den Schnee zu einer Party wurde nicht langweilig, weil es Knausgard war, der diese Szene geschrieben hat, der sie erlebt hat und die deshalb nicht einfach nur Szene ist, sondern ein Teil von einem Ganzen. Ein Teil von ihm. Knausgard erzählt uns seine Geschichte. Alles ist er, was er beschreibt. Alles ist ehrlich. Schonungslos, wie auch anders, denn seit wann schont das Leben und warum sollte man es also beschönigen? Er beschreibt das Leben, so wie es ist. Sein Heranwachsen, seine Familie, den schweren Weg. Scheidung der Eltern. Seine Problematische Beziehung zum Vater. Alkohol. Sein Heranwachsen. Das Leben als Erwachsener. Durcheinander. Loslassen. Tod. Wieder der Vater. Und doch ist der Roman mit diesen Worten nicht zu umreißen. Er ist tief. Sein Leben ist sein Projekt. Ein Kosmos. Ich war und bin begeistert.
Sechs Bände sollen es werden. Der zweite Band heißt Lieben.

Dave Eggers – The Circle – ein beunruhigendes Buch – Rezension

The CircleMae ist überglücklich! Sie kann es kaum fassen. Sie hat durch ihre Schulfreundin Annie einen Job in einer der einflussreichsten Firmen bekommen. Sie gehört ab jetzt zum Circle. Vorbei sind die Zeiten, in denen sie bei einem Stromversorger in einem dunklen Büro vergammelte.

Der Circle existiert seit sechs Jahren und ist dabei, alles umzukrempeln.
Die erste Zeit ist für Mae schwierig, alles ist ganz anders als in ihrem alten Job. Sie muss sich erst daran gewöhnen, keinen geregelten Feierabend mehr zu haben, denn es wird gerne gesehen, wenn die Mitarbeiter auch ihre Freizeit zusammen verbringen und ihre Erlebnisse mit anderen teilen. Die Community wird groß geschrieben. Alles wird geteilt, alles wird bewertet und kommentiert. Der Circle versteht sich als eine große Familie. Und die Familie ist für einen da, wenn man sie braucht.
Das erfährt Mae, als ihr Vater an Multipler Sklerose erkrankt. Er kann sich über seine Tochter, also über den Circle, versichern lassen und bekommt somit die beste medizinische Versorgung. Schnell bessert sich sein Gesundheitszustand. Einzige Voraussetzung: Er muss dem Circle alle seine Daten zur Verfügung stellen und Kameras in seinem Haus installieren lassen. Auf Mae wirkt das alles beruhigend. Es wird für sie ganz einfach, mithilfe der Kameras nach ihren Eltern zu sehen.
Auch von ihr werden immer mehr Daten erhoben und gefordert. Immer mehr Monitore werden an ihrem Arbeitsplatz installiert. Zunächst überfordern sie diese neuen Methoden, die in der Firma praktiziert werden, doch sie fühlt sich in diesem System immer mehr aufgehoben und beschützt. Sie beginnt, ihr Leben mit anderen zu teilen und es gut zu finden. Eine Welt ohne Geheimnisse wird propagiert und gefördert, in der alles besser und sicherer sein soll. Nach einer großen Veranstaltung auf dem Campusgelände entscheidet sie sich für den letzten großen Schritt in eine für sie bessere Welt.
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Billige Klamotten,

die beworben werden, als wären sie etwas Besonderes und unbedingt notwendig, um aktuell und dabei und überhaupt hip zu sein. Klamotten, die so billig sind, dass man gleich mehrere Tüten davon aus dem Laden schleppt (ist der Schrank zu Hause leer?), die man anzieht, sich damit fotografiert und die Fotos an das Unternehmen schickt, um damit auf der Internetpräsenz zu landen. Billige Klamotten, die so billig und minderwertig sind, dass sich nach der ersten Wäsche das Shirt verzogen hat und wie ein nasser Waschlappen sitzt. Billige Klamotten, die niemals vernünftig hergestellt worden sind (gut, das trifft fast auf die gesamte Bekleidungsindustrie zu), in denen Kinderarbeit und wer weiß was noch drin steckt. Billige Klamotten, die bei YouTube in Hauls vorgestellt werden, als gäbe es keine anderen Firmen, die Bekleidung verkaufen. Billige Klamotten haben einen Namen, den ich derzeit in den Städten auf braunen Tüten lese, die zuhauf herumgetragen werden. Billige Klamotten … die trotzdem gekauft werden.

Bei Primark.
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Gelesen …

David NeelAlexandra David-Néel – Mein Weg durch Himmel und Höllen – Fischer Verlag

Alexandra David-Néel war eine äußerst willensstarke Frau, die vor nichts zurückschreckte, die schon als Kind von zu Hause davonlief, um der Tristesse der Familie zu entfliehen, die immer hungrig nach Wissen und Abwechslung war. Schon in jungen Jahren lebte sie zeitweise in London, sang in Hanoi, Indochina, und vergaß ihr Studium dabei nie. Sie studierte die Philosophen, asiatische Länder und den Buddhismus, nannte sich selbst eine militante Buddhistin, übersetzte buddhistische Texte und später die Werke von tibetischen Gelehrten, nachdem sie Jahre in einem Kloster gelebt und die Sprache erlernt hatte. Das alles bereitete sie für ihre größte Reise vor, den Gang nach Lhasa, der verbotenen Stadt. Sehr eindrucksvoll, manchmal fast unglaublich, sind ihre Schilderungen, lebhaft immer noch viele Szenen, obwohl ich das Buch vor fast 15 Jahren gelesen habe. Die Blutegel, die sich an den Beinen festsaugten, die unendlich scheinenden Schneefelder, die zerfetzte Kleidung, Räuber, die Kälte und eine Yogaübung, die sie vor dem Erfrieren gerettet hat, viele Schilderungen über das Leben der Menschen in Tibet leben wieder auf, wenn ich das Buch durchblättere.

Immer wieder muss sie ihren Mann um Geld bitten, den sie mit 36 Jahren geheiratet und während der Ehe kaum gesehen hat. Gerade verheiratet, bricht sie zu einer Forschungsreise nach Indien und Ceylon auf und bleibt 14 Jahre fort. Er hilft ihr immer wieder, obwohl diese Ehe nur auf dem Papier besteht. Eine Ehefrau kann Alexandra nicht sein. Sie muss reisen. Ihre Entwicklung erfährt er durch ihre unzähligen Briefe.
Ich habe sehr viele von ihren Büchern gelesen und bin von ihrem Leben und ihren Erlebnissen mehr als beeindruckt. Ihre Bücher haben mich nie wieder losgelassen.