Leserunde bei LovelyBooks – Matthias Borngrebe – PQ

LovelyBooks ist ein herrliches Portal, auf dem es sich nur um Bücher dreht! Ich schaue leider viel zu selten rein, hinterlege eine Rezension und das war’s schon wieder.
Vor kurzem wurde ich angeschrieben, ob ich nicht bei einer Leserunde mitmachen möchte und gewann ein Exemplar von Matthias Borngrebe mit dem Titel PQ.
Mit der Sterneverteilung habe ich oft meine Schwierigkeiten, aber so wird es überall vorgegeben, man muss etwas anklicken. Halbe Sterne gibt es nicht. Deshalb verzichte ich hier auf eine Einordnung und schreibe etwas zum Inhalt.
Ich habe mich schwer getan mit dem Roman, zu beschreibend geht der Autor vor, ohne seinen Pfad zu verlassen. Oft packt er eine Schippe zu viel drauf, sodass ich als Leser gar nicht mehr denken muss, das ist schade. Freiräume für den Leser fehlen, andererseits klaffen Lücken. Ein Mord wird nachts im Winter verübt, die Mörderin geht im Schnee zu Fuß  nach Hause und muss sich viel später der Polizei stellen? Die hätten die doch sofort gehabt! Bessere Spuren gibt es doch gar nicht.
Na ja, und so arbeitete ich mich durch den Text und es warfen sich plötzlich einige Fragen auf. Hier meine Rezension:

Matthias Borngrebe – PQ

Wer rennt nachts im Nachthemd bei Schnee in den Garten, um nachzusehen, was in den Büschen ist? Carolin Niemeyer.
Bevor sie sehen und verstehen kann, was dort ist, wird sie ermordet. Erstochen. Johanna Gruber wischt das Messer ab, steckt es ein und verlässt langsam und zu Fuß den Tatort. Sie hat es getan. Sie hat eine PQ-Betrügerin gerichtet und postet dies unmittelbar, nachdem sie ihr zu Hause erreicht hat. Denn PQ ist ihr Leben.
Alles ist bei ihr darauf ausgerichtet, ihren sogenannten PQ zu steigern. PQ bezeichnet den Persönlichkeitsquotienten, der mithilfe der gleichnamigen App errechnet wird. Wie, das weiß niemand so genau. Das angebliche Ziel der App ist es, die Menschen besser zu machen. Dauernd wird von den Gutmenschen gesprochen. Entwickelt wurde diese App von einem einzigen Programmierer, der mit Freunden in einer kleinen WG angefangen hat. Das klingt nach einer Erfolgsgeschichte.
Bis der Mord passiert, der fortan nur noch als PQ-Mord bezeichnet wird.

PQ sieht aus wie ein nettes Spiel, eine Social Media App, man kann sich mit anderen Menschen vernetzen, sich austauschen, wird jedoch auch bewertet, jede Tat, jeder Gedanke. Das Netzwerk ist immer dabei. Daten werden gesammelt, Profile erstellt, doch wen schert es, was mit den Daten geschieht? Der PQ steht im Vordergrund. Jeder möchte ein „guter“ Mensch sein, was immer das auch bedeutet.
Das Unternehmen wächst, wird größer und nimmt immer mehr Einfluss. Sogar bei Wahlen wird der PQ herangezogen, um die Eignung eines Kandidaten abzuschätzen. Ohne einen guten PQ läuft nichts mehr. Der Mensch wird in ein Leben hineingepresst, bewertet von wildfremden, beobachtet, was ist echt? Ein Horrorszenario, denken wird vielleicht, doch wir sind schon mittendrin und geben täglich viel zu viele Dinge von uns preis. Angeblich gibt es schon Programme, die alle kursierenden Daten von uns zusammenführen können. Immer mehr wird unser Leben beeinflusst, gesteuert und manipuliert, wir merken es oft nicht mal. So konnte es passieren, dass Johanna einen Mord beging.

Und das ist nicht nur reine Fiktion. Im Januar wurde das Urteil zum Facebook-Mord in Arnheim gesprochen, Auslöser waren Kommentare im sozialen Netzwerk. Es gibt weitere Beispiele, auch aus Deutschland, wo Eltern einen Facebook-Kontakt der Tochter erstochen haben.
Die Grenzen verschwimmen. Real, virtuell, virtuell ist auch real. Die Welt wird immer größer und vernetzter und alle können verbreiten, was sie wollen, das hat schon einige ruiniert. Stichwort Cybermobbing, die Grenzen werden überschritten, das Unrechtsbewusstsein schwindet, warum eigentlich?
Mal eben etwas geschrieben oder gepostet, verbreitet oder geteilt zieht es heute viel größere Kreise, als es nur der Freundin zu erzählen, doch das ist Vielen nicht bewusst. Hinzu kommt dieses Ranking, dieser Wettbewerb, der durch den PQ ausgerufen wird. Er soll dazu führen, ein besserer Mensch zu werden. Das wird häufig erwähnt, ja fast herunter gebetet, doch wie sieht ein „guter“ Mensch aus, was macht ihn aus, wie konform läuft er mit und handelt er noch eigenständig?

Am Anfang habe ich mich mit dem Roman schwergetan. Sachlich beschreibt der Autor die Entwicklung und den Werdegang einer App, welchen Einfluss sie auf die Nutzer ausübt und das gesellschaftliche Leben erreicht. Manchmal scheint er mir zu weit weg, hängt sich an die Fakten. Vergleiche wie: „vor Gericht zu stehen, kam Johanna manchmal vor wie eine Nahtoderfahrung“, machen es nicht besser, sie lassen mich ratlos zurück.
Bis mir klar wurde, es ist eine Dokumentation, die Dokumentation des PQ-Mordes und wohin die virtuelle Welt führt, welche Emotionen sie hervorruft.
Und eine große Frage wirft sie auf.
Welcher Moral müssen wir uns stellen in der virtuellen Welt?