Freitags bei thalia.de

Werner BräunigSeit mehreren Wochen bekomme ich freitags eine Mail von thalia.de. Inhalt: Werbung für fünf ebooks, die es nur an diesem Tag zum Kracherpreis gibt. Bisher habe ich diese Benachrichtigungen immer gelöscht, heute klicke ich drauf. Reine Neugier. Grundsätzlich habe ich nichts gegen ebooks, einen Reader besitze ich selbst und es ist unheimlich praktisch, im kleinen Format viele Bücher mit sich herumtragen zu können. Online ausleihen kann man sie auch. Also, was gibt es an diesem Freitag?

Werner Bräunig mit Rummelplatz. Ich klicke auf Inhalt und es erscheint nichts. Wenn die Technik nicht funktioniert, werde ich immer ganz wild. Und sie funktioniert dauernd nicht. Auf dem kleinen Cover kann ich Meinungen entziffern, ich kneife die Augen etwas zusammen, um schärfer sehen zu können: „Ein großes Buch“, sagt … keine Ahnung, die Leseprobenecke verdeckt den Rest. Darunter: „Einer der besten deutschen Romane. Sensationell.“ Hoho. Wer klappert da so laut? Auch verdeckt. Der Spiegel wird zitiert mit: „Ein Ereignis.“ Viel von dem Ereignis habe ich noch nicht erfahren können. Beschäftige ich mich also mit dem Autor. Wer ist Werner Bräunig? Man kann schließlich nicht alle kennen, oder? Ein Klick auf Portraits bringt zwei Zeilen: „Werner Bräunig, 1934 geboren, verfasste 1959 für die Bitterfelder Konferenz den Aufruf „Greif zur Feder, Kumpel“. Als schreibender Arbeiter galt er als große Hoffnung der jungen DDR-Literatur, bis der Roman „Rummelplatz“ 1965 auf dem 11. Plenum angegriffen wurde. Er starb 1976 in Halle.“

Bei mir werden es natürlich mehr als nur zwei Zeilen. Aber weiter. Das interessiert mich sofort. Schreibender Arbeiter und DDR-Literatur geben den Ausschlag zu kaufen, 768 Seiten kosten heute 3,99 Euro, Verlag Aufbau digital, da rechne ich nicht mit Schund. Also gekauft.

Die anderen Bücher im Angebot klingen belanglos. Blauer Montag von Nicci French, ein 5-Jähriger verschwindet und so weiter, Krimi eben. Die Wildkirsche, oh je, dem Titel und Cover nach zu urteilen irgendwas vom Erotikzug. Miss Krassikowski Vol 1 von Anja Fröhlich. Ich denke an die Fröhlich und ihre unzähligen Fortsetzungen und Locken und ihre schrille Stimme, ihre Abnehmorgien, Yoga macht sie dann plötzlich auch noch, bloß nicht! Tonne. Das hier ist zwar eine andere Fröhlich aber der Name polarisiert schon zu sehr. Die Wasserratte von Wanchai von Ian Hamilton, da bleiben die Augen kurz stehen, Autor und Titel sagen mir nichts, aber ich klicke drauf, dieser böse nervöse linke Zeigefinger korrespondiert mit dem Bauchgefühl, dass es auch online gibt. Ein Ava-Lee-Krimi Band 1, schon wieder ein Krimi und Fortsetzungen. Die Informationen über den Inhalt und Autor machen jedoch deutlich, dass er weiß, worüber er schreibt. Die Reise soll angeblich rund um den Globus gehen und uns in die internationalen Finanzmärkte führen. Er hat früher selbst in diesem Bereich gearbeitet. Ich hoffe nur, dass er auch weiß, wie man schreibt, also nehme ich auch das für 1,99 Euro und erwarte Skandale und Aufklärung über die ausufernd gierige Finanzwelt. Zwei Käufe in wenigen Minuten. Dabei warten andere Bücher. 14 von Echenoz zum Beispiel. Oder Die Potsdamer Affäre von Ostertag. Der Schlafwandler liegt ausgeliehen auf meinem Schreibtisch. Da wollte ich schon lange mal reinschauen.

Was ich finde und wie ich die einzelnen Bücher finde, werde ich demnächst in Rezensionen beschreiben. Und mich vor Angebotsfreitagen in Acht nehmen. Es ist mittlerweile so leicht zu kaufen. Ob die Käufe bewältigt werden können, ist die andere Frage.