Dave Eggers – The Circle – ein beunruhigendes Buch – Rezension

The CircleMae ist überglücklich! Sie kann es kaum fassen. Sie hat durch ihre Schulfreundin Annie einen Job in einer der einflussreichsten Firmen bekommen. Sie gehört ab jetzt zum Circle. Vorbei sind die Zeiten, in denen sie bei einem Stromversorger in einem dunklen Büro vergammelte.

Der Circle existiert seit sechs Jahren und ist dabei, alles umzukrempeln.
Die erste Zeit ist für Mae schwierig, alles ist ganz anders als in ihrem alten Job. Sie muss sich erst daran gewöhnen, keinen geregelten Feierabend mehr zu haben, denn es wird gerne gesehen, wenn die Mitarbeiter auch ihre Freizeit zusammen verbringen und ihre Erlebnisse mit anderen teilen. Die Community wird groß geschrieben. Alles wird geteilt, alles wird bewertet und kommentiert. Der Circle versteht sich als eine große Familie. Und die Familie ist für einen da, wenn man sie braucht.
Das erfährt Mae, als ihr Vater an Multipler Sklerose erkrankt. Er kann sich über seine Tochter, also über den Circle, versichern lassen und bekommt somit die beste medizinische Versorgung. Schnell bessert sich sein Gesundheitszustand. Einzige Voraussetzung: Er muss dem Circle alle seine Daten zur Verfügung stellen und Kameras in seinem Haus installieren lassen. Auf Mae wirkt das alles beruhigend. Es wird für sie ganz einfach, mithilfe der Kameras nach ihren Eltern zu sehen.
Auch von ihr werden immer mehr Daten erhoben und gefordert. Immer mehr Monitore werden an ihrem Arbeitsplatz installiert. Zunächst überfordern sie diese neuen Methoden, die in der Firma praktiziert werden, doch sie fühlt sich in diesem System immer mehr aufgehoben und beschützt. Sie beginnt, ihr Leben mit anderen zu teilen und es gut zu finden. Eine Welt ohne Geheimnisse wird propagiert und gefördert, in der alles besser und sicherer sein soll. Nach einer großen Veranstaltung auf dem Campusgelände entscheidet sie sich für den letzten großen Schritt in eine für sie bessere Welt.
Dave Eggers hat mit The Circle eine Welt erschaffen, die nicht weit von unserer Realität entfernt ist. Eine Firma, die wie eine Mischung aus Google und Facebook daherkommt, entwickelt immer neue Strategien, um das Leben der Menschen einfacher und sicherer zu machen. So scheint es zunächst. Alles soll transparent werden. Die SeeChange Kameras sind ein Schritt auf dem Weg dorthin, sie läuten eine Zeitenwende ein. Alles was passiert, soll bekannt werden. Alle Daten der Menschen sollen zur Verfügung stehen, die Wohnungen gescannt werden. Natürlich nur, um das Leben zu vereinfachen und den Kühlschrank automatisch auffüllen zu lassen. Mae ist ein naiver, leicht zu beeinflussender Mensch. Die neue Welt beeindruckt sie, sie fühlt sich in ihr geborgen. Draußen, in der realen Welt, fühlt sie sich immer unsicherer.
Was sie dabei übersieht, ist, dass damit wenige sehr viel Macht bekommen. Einzig ihr Ex-Freund Mercer stellt sich gegen das System. Er versucht Mae davon zu überzeugen, dass sie in die falsche Richtung läuft. Das wird deutlich durch Sätze wie auf Seite 295: „Mae, ich hatte nie stärker das Gefühl, dass irgendeine Sekte die Welt erobert.“ Oder auf Seite 297: „Einzeln wisst ihr nicht, was ihr kollektiv macht.“
Doch Mae ist mit ihrer Naivität und Gutgläubigkeit der perfekte Mensch für diese schöne neue Welt.

Können wir dieser Dystopie entfliehen? Die schöne neue Welt ist eine Versuchung, jedoch eine Versuchung mit Nebenwirkungen. Können wir uns abschotten von einer Welt, die uns immer mehr aussaugt, die alles speichert, was wir tun und sagen?
Dave Eggers lässt mich beunruhigt zurück. Ich weiß, dass viele Dinge in diesem Roman längst Realität sind. Immer neue Skandale und Affären lassen erahnen, dass dies nur die Spitzen von dem sind, was wirklich geschieht. Der Roman setzt hervorragend in Szene, auf welchem Weg wir sind.

Eine drängende Frage bleibt: Können wir dem System noch entfliehen? Diese Frage wird zu einer neuen Utopie.

Hier geht es zum Buch und zum Autor: http://www.kiwi-verlag.de/autor/dave-eggers/1065/
Eine Seite von KiWi: http://www.dercircle.de/